Dinslaken Einst war der Fluss die Kloake des Ruhrgebiets. Jetzt ist er zum ersten Mal seit rund 170 Jahren wieder sauber. Nach knapp 30 Jahren Umbau, fließt nun kein Tropfen klärpflichtiges Abwasser mehr in die Emscher.
„Vermutlich konnten es sich einige Menschen bis zuletzt nicht wirklich vorstellen: Die Emscher ist endlich abwasserfrei“, stellt Uli Paetzel, Vorstandsvorsitzender der Emschergenossenschaft, fest. Wer im Ruhrgebiet aufgewachsen ist, kennt den Fluss nur als Abwasser führendes, schmutziges Gewässer. Sie hat die Menschen, die hier wohnen, in dieser Form ein Leben lang begleitet, von der Kindheit bis ins Erwachsenenalter. Dass die Zeiten des stark riechenden Flusses nun endgültig der Vergangenheit angehören, bedeutet „für alle ein riesiger Schritt in die neue blau-grüne Zukunft der Region“, so Paetzel.
Denn die jetzt erreichte Abwasserfreiheit kommt der Artenvielfalt im Emscher-Gebiet zugute und natürlich auch den Menschen in der Region. Die Erstellung der Abwasserinfrastruktur war eine große ingenieurtechnische Herausforderung. „Die hierbei gemachten Erfahrungen werden Emschegenossenschaft und Lippeverband (EGLV) dabei helfen, die Klimafolgenanpassung und die Verbesserung des Hochwasserschutzes auch zukünftig weiter auszubauen, sagt Emanuel Grün, Technischer Vorstand der Emschergenossenschaft.
Wasserwirtschaftsunternehmen Die Emschergenossenschaft ist ein öffentlich-rechtliches Wasserwirtschaftsunternehmen, das als Leitidee des eigenen Handelns das Genossenschaftsprinzip lebt. Sie wurde 1899 als erste Organisation dieser Art in Deutschland gegründet und kümmert sich seitdem unter anderem um die Unterhaltung der Emscher, um die Abwasserentsorgung und -reinigung sowie um den Hochwasserschutz.
Bis auf die Berne in Essen sind zudem auch alle Zuflüsse der Emscher ebenfalls von ihrer Schmutzwasserfracht befreit – das Abwasser aus der Berne fließt nun über ein Provisorium direkt in den unterirdischen Abwasserkanal Emscher (AKE), so dass die Emscher wirklich komplett abwasserfrei ist. Zu den Verzögerungen an der Berne hatte in den vergangenen Jahren am Berne-Zufluss Borbecker Mühlenbach ein seltener Vogel, die Wasserralle, gesorgt. Damals kam es sogar zu einem um fünf Jahre verzögerten Baustart.
Vor genau 30 Jahren hat das Vorhaben begonnen, einem biologisch toten Fluss inmitten des größten Ballungsraums Deutschlands neues Leben einzuhauchen. Knapp 5,5 Milliarden Euro hat die Emschergenossenschaft in die Aufwertung der Lebens- und Aufenthaltsqualität im Emscher-Gebiet investiert. Entstanden sind vier Großkläranlagen, die heute zu den modernsten des Landes zählen. Mehr als 430 Kilometer an neuen unterirdischen Abwasserkanälen sind verlegt worden – das entspricht der Distanz zwischen Essen und Paris.
Parallel zum Kanalbau sind zudem bereits rund 150 Kilometer an Gewässern renaturiert worden und bieten heute ein neues Zuhause für Eisvögel, Libellen, Stelzen und Groppen. Die Artenvielfalt an der Emscher hat sich in den vergangenen drei Jahrzehnten durch den Emscher-Umbau verdreifacht.
Die Köttelbecke ist damit endgültig Geschichte, die neue Emscher dagegen eröffnet neue Chancen für blau-grünes Leben inmitten einer der spannendsten Regionen des Landes.
Die Abwasserfreiheit ist zwar erreicht, die Emscher-Geschichte aber noch lange nicht fertig geschrieben: Mit dem neuen Kapitel beginnt die Emschergenossenschaft gemeinsam mit ihren Mitgliedern und Partnern gerade erst. Nun geht es in die Phase der naturnahen Umgestaltung: Die Betonsohlschalen werden entfernt, die Böschungen flacher und vielseitiger gestaltet. Dort, wo der Platz es zulässt, erhalten die einst technisch begradigten Flüsse wieder einen kurvenreicheren Verlauf.
Das Leben kehrt an die Emscher zurück, die sauberen Gewässer werden den Menschen zurückgegeben. Auch wenn die Emscher aufgrund ihrer besonderen Charakteristik niemals ein Badegewässer sein und größtenteils immer noch eingezäunt bleiben wird, will die Emschergenossenschaft in den kommenden Jahren viele Mitmachprojekte an den Gewässern ermöglichen.
Rund 130 Kilometer durch den Emscher-Umbau entstandene neue Radwege lassen die sauberen Emscher-Gewässer bereits heute erlebbar und erfahrbar werden.
Wegen der durch den Kohleabbau verursachten Bergsenkungen im Ruhrgebiet sind unterirdische Kanäle früher nicht möglich gewesen, da sie beschädigt worden wären. Daher wurden die Emscher als zentraler Fluss des Ruhrgebiets und ihre Nebenbäche als offene Schmutzwasserläufe verwendet. Seit Ende der 80er- und Anfang der 90er-Jahre hat sich die Lage jedoch geändert. Nach der Nordwanderung des Bergbaus sind auch keine Bergsenkungen mehr zu befürchten, so dass nun auch unterirdische Abwasserkanäle gebaut werden können.
Seit 1992 plante und setzte die Emschergenossenschaft den Emscher-Umbau in enger Abstimmung mit dem Land Nordrhein-Westfalen, den Kommunen und den Genehmigungsbehörden um.
Jedes einzelne Gewässer erhielt ein unterirdisches Pendant, durch das die Abwässer zu den Kläranlagen abgeleitet werden. Die oberirdischen Bäche sind nun abwasserfrei und können naturnah umgebaut werden.
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