Fernsehen

2022-09-16 17:36:21 By : Ms. Daisy Zhang

Wie geht es uns? Was wünschen wir uns, um über den zweiten Winter der Pandemie zu kommen und gemeinsam Wege aus der Krise zu finden? Corona und wir in MV: Über Monate hat der NDR in Mecklenburg-Vorpommern Menschen aus dem Land begleitet und nachgefragt, wie sie die Zeit zwischen Sommer und Winter 2021 erlebt haben. Takwe Kenders ist Metallgestalterin und arbeitet in Rothen bei Sternberg.

Die Flammen fressen das Holz, Scheit um Scheit, und wärmen den Raum. Der kleine Ofen aus Gusseisen steht neben dem Fenster im Atelier, über Treppen geht es hinauf ins Obergeschoss der Gutsscheune in Rothen. Im Juni haben wir uns hier zuletzt getroffen. Takwe Kenders wartet bis das Wasser kocht, es gibt Tee. "Mittlerweile habe ich das Gefühl, dass so viel durcheinander gerät in den Meinungen der Menschen. Und gerade dieses Persönliche… Ich kann dieses untereinander-miteinander im Moment nicht ertragen. Also, ich könnte nur noch heulen."

Vor einem halben Jahr hatte Takwe Kenders mir gesagt, ein "Wir" sei nötig. So vieles müssten wir verändern, die Schulen, die Bildung allgemein, unseren Umgang mit der Umwelt, mit Kultur und Kunst. Das sei doch noch viel deutlicher geworden angesichts von Corona, dafür müssten wir zusammenhalten. Wir beide waren uns einig darin. Nun, so sagt Takwe Kenders, beobachtet sie das Gegenteil. "Das menschliche Verhalten im Moment ist nicht ein gemeinsames. Wir spalten uns so dermaßen, statt dass wir einfach zusammenhalten, der Zusammenhalt, der geht geradezu in den Dutt. Und da bin ich so sprachlos darüber."

Takwe Kenders lebt, so erzählt sie, weiter ihre selbst gewählte Isolation. Keine Kunsthandwerkermärkte, kein Trubel vor Weihnachten, keiner zum Jahreswechsel. Mit Menschen trifft sie sich nur im engsten Kreis, wenn sie ihre Eltern besucht, dann nur mit vorherigem PCR-Test. Sie nennt es "in die Eigenverantwortung gehen". Geimpft ist Takwe Kenders nicht, warum genau, das erfahre ich nicht. Früher, das erzählt sie offen, ist sie um die Welt gereist und hat dafür jede nötige Impfung in Kauf genommen. "Es geht doch nicht darum, ob der eine jetzt geimpft ist oder ungeimpft ist. Das Problem ist doch ein ganz anderes. Das Problem ist ein Virus, das wir nicht in den Griff kriegen. Und da müssen wir doch jetzt einfach gucken, wie wir sozusagen uns gegenseitig eher befruchten oder ins Positive gehen. Und ich bin ein ziemlich positiver Mensch in dem, dass ich gucke wie schaffen wir das jetzt gemeinschaftlich, da eine Lösung zu finden?"

Im Laufe des Gesprächs schaffen wir es nicht, diese Lösung zu benennen. Vielleicht sehe ich sie nicht. Vorsichtig berichte ich von meiner Sicht:  Ich bin dreifach geimpft und rate es jedem, der fragt. Ich sehe mich in der Verantwortung, für mich und für die Gesellschaft. Die Impfung für möglichst viele ist für mich eine Lösung. Doch Takwe Kenders und ich, wir sind uns auch im Blick auf die Medien uneins: Für mich liefern die Medien, bis auf Ausnahmen, Informationen. Für Takwe Kenders verbreiten sie Angst, wie sie mir erklärt, "In fast allen Zeitungen, allen Medien, die ich mir angucke, wird halt eine Angst geschürt und das aber nicht erst seit Corona, sondern immer schon. Also es ist immer so, dass mir eine Angst suggeriert wird, obwohl ich die nicht habe."

Wir reden über die Arbeit. 13 Teller hat Takwe Kenders gefertigt, die hängen im Atelier in einem Vorraum etwas versteckt nebeneinander. Auf dem Teller in der Mitte ein weiblicher Jesus, die "Jesa", wie Takwe Kenders sie nennt. Auch die Apostel links und rechts sind Frauen, Frauen aus aller Welt, in einigen erkenne ich gemeinsame Bekannte. Es ist eine Arbeit gegen die männliche Dominanz in und den Ausschluss von Frauen aus Ämtern in der katholischen Kirche. Ausgestellt war das Werk im Sommer in einer evangelischen Kirche in Drefahl, in den Ruhner Bergen. Ein Projekt im Kulturhaus Mestlin, so erzählt die Metallgestalterin, blieb ohne große Resonanz, das hat sie traurig gemacht. Die Nominierung für den Rostocker Kunstpreis hat etwas Geld gebracht, das war gut, aber auch arbeitsreich. Die Preisverleihung konnte nur in kleiner Runde stattfnden, Anfang Dezember. Takwe Kenders hat vom Preisgeld die Heizung erneuert in ihrem Wohnhaus. Dort rückt sie nun zusammen, mit denen, die ihr am nächsten sind. "Dieses Festhalten an den Wenigen, das macht mich so glücklich, dass ich jetzt viel mehr Zeit für meinen Mann habe und ihm auch das wertschätze, was er mir auch all die Jahre gegeben hat und das dieses Zusammenhalten gerade für mich ganz, ganz wichtig geworden ist."

Warm ist es mittlerweile geworden im kleinen Atelier, Takwe Kenders legt Scheite nach. Vieles an diesem vom Ofen gewärmten Nachmittag bleibt wage, vorsichtig frage ich um die heiklen, die zutiefst persönlichen Themen herum und lese zwischen den Zeilen, dass Takwe Kenders Entscheidung ungeimpft zu bleiben, auch in ihren Freundes- und Bekanntenkreisen zu Zerwürfnissen geführt haben muss. Vor diesem Hintergrund bekommt für mich auch ihr Wunsch nach Zusammenhalt in der Gesellschaft eine neue, eine weitere, eine persönliche Bedeutung.

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